Geschichte der Orgel

Die ältesten Teile der heutigen großen Orgel stammen aus dem Jahr 1520. Meister Hans Schentzer aus Stuttgart erhielt damals vom Domkapitel den Auftrag, ein neues großes Orgelwerk zu bauen. Der Neubau fiel in eine außerordentliche Blüte der Dommusik. Für die Domkapelle hatte Heinrich Isaac zwischen 1507 und 1509 seinen "Choralis Constantinus" komponiert, als Leiter der Kantorei fungierte Sixt Dietrich und der bekannte Hans Buchner war gerade als Domorganist auf Lebenszeit verpflichtet worden.

Das neue Werk entstand gleichzeitig mit der neuen Orgelempore. Es bildet mit ihr zusammen ein Ensemble von einzigartiger ästhetischer Schönheit, das heute in den wichtigsten Teilen noch immer den gleichen Eindruck vermittelt wie zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Nur schade, dass die neue Orgel zunächst nur sieben Jahre erklingen durfte, denn von 1527 bis 1549 schloß sich Konstanz der Reformation an. Die Bischofskirche wurde nicht mehr benötigt. Bischof und Domkapitel zogen über den See ins Exil. Meersburg wurde als neue Residenz erwählt. Die neue Orgel wurde weder gespielt noch gepflegt. Es hieß schon 1555, sie sei "inwendig zergenkt", d. h. zerfallen. 1592 galt sie als unspielbar. Die nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte brachten zahllose Reparaturen und Instandsetzungen. Trotzdem fand Michael Praetorius es für wichtig, über die Konstanzer Orgel zu berichten, nahm sie in seinem "Syntagma musicum" auf und rühmte sie wegen ihrer Größe und Qualität.

Einen eklatanten Eingriff brachte dann das 19. Jahrhundert. Die Diözese Konstanz war gerade aufgelöst worden als man 1858 einen Neubau beschloss. Als Orgelbauer wurde Martin Braun aus Spaichingen verpflichtet. Vermutlich übernahm er kein Pfeifenmaterial vom Vorgänger, wohl aber den Mittelteil des alten Gehäuses. Die großen Bassfelder links und rechts, sowie der Bogen über dem Schwellwerk sind jedoch wahrscheinlich seine Zutat.

Das bislang letzte Kapitel der großen Orgel wurde dann mit einem weiteren Neubau durch die Firma Klais 1954/1955 aufgeschlagen. Aus Platzgründen versetzte man die Orgel damals etwa 1,5m weiter nach hinten in den Turm. Der Gehäuse-Prospekt Schentzers und der Pfeifen-Prospekt Brauns blieben erhalten. Ausserdem wurden 11 Register der Vorgänger-Orgel übernommen. Es entstand ein neues Orgelwerk mit 63 Registern, verteilt auf vier Manualen und Pedal.

Das Instrument ist schon aufgrund seiner reichen Disposition für Literatur aller Stilrichtungen geeignet. Besonders gut lassen sich jedoch romantische Orgelwerke darstellen. Gerühmt werden vor allem die schlanke, vornehm zurückhaltende Intonation der Einzelstimmen, ein in sich ruhender Prinzipalchor und ein wohltuend homogener Tuttiklang der grossen Münster-Orgel.

aus dem grossen Kunstführer (Hrsg. Dr. Ulrike Laule)

Das Konstanzer Münster Unserer Lieben Frau

erschienen im Verlag Schnell und Steiner (zur Verlagsseite)